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Ein Gedicht von
Ratschky Joseph Franz
1757-1810

An Herrn Blumauer
Johannstein am Sparbach im Mai 1781

Als rings bepflanzt mit wolkennahen Türmen,
Das stolze Wien mir aus den Augen kam,
Und, vor der Glut der Sonne mich zu schirmen,
Der Brühl mich drauf in seine Schatten nahm,
Verband ich mich bei mehr als zwanzig Göttern
Mit einem Eid: die Sonne sollte nicht
Zum zweitenmal den Berg herüberklettern,
Es läge denn das stattlichste Gedicht,
So elegant, wie meines Wissens keiner
Im deutschen Reich, als etwan Unsereiner,
Zu schreiben pflegt, an dich, o Freund! bereit.


Doch da nun schon wir Dichter jederzeit
Beim Leienvolk für Lügenschmiede galten,
So ließ es denn auch meine Wenigkeit,
So sehr ich sonst der Mann bin, Wort zu halten,
Dem Handwerksbrauch zu Liebe, hübsch beim alten;
Denn wirklich hat bereits zum viertenmal
Die kühle Nacht nun Flächen, Berg und Tal
Und Feld und Wald mit Dunkel rings umhüllet,
Und doch ist noch mein Eidschwur unerfüllet,
Und blieb' es auch, hätt' ein Gewitter hier
In's Gartenhaus mich nicht hereingeschrecket,
Und hätte nicht der Donner über mir
Mein schlafendes Gewissen aufgewecket.
So höre denn, was meine Neubegier
Von Ort zu Ort auf meiner Fahrt entdecket.


So wie ich mich durch einen breiten Strom
Von wallendem Getreide durchgewunden,
Stand Medling da, wo Gänse, wie zu Rom
Im Kapitol, am Tore Wache stunden.
Von dannen gin'gs ganz sachte durch den Brühl,
Wo plötzlich links der Rest von öden Mauern
Auf einem Fels, zu dem man ohne Schauern
Nicht aufsehn kann, mir in das Auge fiel.
Hier hatten einst in jenen Ritterzeiten,
Als man bei uns Begier und Mut zu streiten
Noch höher hielt, als Wissenschaft und Witz,
Viel Herzöge von Östreich ihren Sitz.

Nun schlängelte die schmale Bahn sich mitten
Durch Klippen fort und durch das frische Grün
Des Wienerwalds, an Bächen, die mit Hütten
Umzingelt sind, bis zu dem Ziele hin.
Hier leb' ich nun so gänzlich abgeschieden
Von eurer Welt und ihren Plackerein,
Daß ich nicht weiß, wie's außer meinem Hain
Indessen geht, ob Krieg ist oder Frieden.


Heut morgens Freund! als kaum die Sonne sich
Den Berg empor an meine Fenster schlich,
Ging alsogleich die Reise nach der Klause
Zum heil'gen Kreuz. Hier zeigt vor der Karthause
Ein Kreuzgang sich, an Reiz und Anmut reich,
Und weniger dem Weg zur Schädelstätte,
Als einer Bahn zum Paradiese, gleich;
Denn links erhebt sich eine kleine nette
Einsiedelei, mit Bäumen rings besetzt:
Zur Rechten winkt die niedlichste Kapelle
Zur Andacht hin, wobei die schönste Quelle,
Rein wie Kristall, ein Rasenplätzchen netzt.

Im Stifte selbst fand ich mit Mißvergnügen
In einem Saal so manche Seltenheit
Bei Spielwerk oft, das höchstens Kinder freut,
Unordentlich, wie Kraut und Rüben, liegen.
Nebst andern ragt ein schöngeschnitztes Chor
Im Mittelpunkt des Tempels hoch empor,
Das einst ein Mönch, den, wie's so manchem gehet,
Kein guter Geist zur Reimerei entzückt,
Mit einer Art von Versen ausgeschmückt,
Wovon mir noch das Haar zu Berge stehet.
Lies sie nur selbst! kein Silbchen ist verrückt:

Psalle Deo soli, sed voci parcere noli.
Hic locus est flendi, locus est peccata luendi.
Hic sta, ne cesses, venient post tempora messes,
Post fletum risus, mera gaudia, plus paradisus.
Psalle, sed attento resonet nifi corde, memento,
Quod, licet os oret, frustra tua lingua laboret.
Hic memor huius eris, ne orando mente vageris,
Et nequo fraudes, domini pia cantica laudes.


Noch hätt' ich dir, mein Bester! vielerlei
Von Bonzenstolz, Verstellung, Gleißnerei,
Unwissenheit und feisten Ordensbäuchen,
Von kupfrigen Gesichtern und dergleichen
Artikeln mehr sub rosa zu vertraun.
Allein ich mag mir keinen Scheiterhaufen
Im Höllenpfuhl durch meine Zunge baun;
Was hat denn auch ein Leie drauf zu schaun,
Ob Mönche sich kasteien oder saufen?
Auch galoppiert bereits in vollem Lauf
Die düstre Nacht in ihrem Trauerwagen,
O Teuerster! den Horizont herauf,
Und zwinget mich, dir Lebewohl zu sagen.